Südtirol: Es war ein harter Kampf

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Südtirol und seine Minderheitenrechte innerhalb Italiens

Insbesondere was den Gebrauch der deutschen Sprache seit 1918 anbelangt

Nach dem Zerfall der Österreichisch-Ungarischen Doppelmonarchie im Jahre 1918 fanden sich mehrere geschlossene deutsche Sprachgebiete in fremden Staaten wieder, darunter auch die Südtiroler. Die Gesamtbevölkerung Deutsch-Südtirols betrug damals ca. 290.000 Personen, davon ca. 20.000 Ladiner und 8.000 Italiener, der deutsche Bevölkerungsanteil also etwa 262.000 Personen.

Unmittelbar nach der Annexion Südtirols beeilten sich Italienische Staatsmänner zu bekräftigen, dass sie Sprache und Kultur der neuen Untertanen deutscher Nationalität respektieren und nicht unterdrücken würden. Man sprach sich sogar grundsätzlich für die Gewährung einer Autonomie aus und sparte nicht mit hochtrabenden Versprechungen.

In Südtirol hat die traditionelle Tracht einen besonderen Stellenwert. Bei einem Dorffest darf die Blasskapelle nicht fehlen. © Crestani Pixabay

In besonderem Maße tat dies der Vorsitzende der italienischen Friedensdelegation in seiner Eigenschaft als Präsident des Senates, Tittoni, in einer am 27. September 1919 gehaltenen Rede: „Italien hat wie die übrigen Großmächte keine gesetzliche Verpflichtung, die freie Betätigung der nationalen Minderheiten zu achten, aber nach meinem Empfinden besteht wegen der liberalen Tradition, die Italiens Ruhm und Vorzug sind, eine große, moralische Pflicht dazu. Die Völker anderer Nationalitäten, die mit uns vereinigt werden, sollen wissen, dass uns der Gedanke einer Unterdrückung und Entnationalisierung vollkommen fern liegt, und dass ihre Sprache und ihre kulturellen Einrichtungen geachtet werden und ihre Verwaltungsbeamten alle Rechte unserer liberalen und demokratischen Gesetzgebung besitzen. Wir können der Bevölkerung von Deutsch-Südtirol die Versicherung geben, dass nie ein Polizeiregiment eingeführt wird, mit Verfolgungen und Willkürherrschaft.“ 

Auch König Viktor Emanuel III. hatte in seiner Thronrede vom 1. Dezember 1919 Loyalität gegenüber seinen neuen Untertanen versprochen. Mit Einschränkungen war dies bis zu dem von den Faschisten Anfang Oktober 1922 durchgeführten Marsch auf Bozen noch möglich, dieses Ereignis markierte jedoch den Beginn der faschistischen Gewaltherrschaft bereits vor der Machtübernahme in Rom mit all seinen bekannten Folgen nicht nur für die deutsche Schule, sondern für die gesamte deutsche und ladinische Volksgruppe insgesamt. Bereits am 18. November 1922 verkündete der neu ernannte Präfekt Giuseppe Guadagnini sein faschistisches Programm, es folgten die ersten Schulschließungen. Die im Deutschen Verband zusammengeschlossenen deutschen Parteien versuchten durch ihre Mandatare in Rom in monatelangen Verhandlungen einerseits Verbesserungen im Gebrauch der Muttersprache zu erreichen und andererseits loyales Verhalten gegenüber dem italienischen Staat zu garantieren.

Der Tiroler Adler. © Rottonara Pixabay

Doch es kam schlimmer. Bereits wenige Wochen später, am 15. Juli 1923 verkündete der faschistische Senator Ettore Tolomei im Bozner Stadttheater das von ihm und Giovanni Preziosi ausgearbeitete Programm zur Italianisierung des Oberetsch. Dieses Programm umfasste 32 Punkte, Schwerpunkt wiederum das italienische Schul- und Kindergartenwesen. Die Maßnahmen betrafen aber alle Bereiche des öffentlichen Lebens, z.B.:

  • Der Name Südtirol wird verboten
  • Die deutschen Schulen werden aufgelöst
  • Deutsche Parteien werden verboten
  • Deutsche Beamte werden entlassen oder in italienische Provinzen versetzt
  • In den öffentlichen Ämtern darf nur noch italienisch gesprochen werden 
  • Die deutschen Ortsnamen werden italianisiert, ebenso die deutschen Straßen- und Wegebezeichnungen 
  • Auch deutsche Familiennamen sollen italianisiert werden
  • Die deutschen Zeitungen werden verboten

Der nächste Schritt war nun die konkrete Durchführung der Italianisierung der Schule in Südtirol mittels kgl. Dekretes vom 1. Oktober 1923, Nr. 2185, besser bekannt unter dem Namen Lex Gentile. Dieses Dekret war der endgültige Todesstoß für die öffentliche deutsche Schule. Der Wechsel zum italienischen Unterricht sollte stufenweise erfolgen, mit dem Schuljahr 1923/24 wurde in der ersten Klasse der Unterricht in italienischer Sprache erteilt, im darauffolgenden Jahr auch in der zweiten Klasse usw.

Im Schuljahr 1926/27 gab es von den ehemals 760 deutschen Volksschulklassen nur noch einen Rest von 87 deutschen Klassen der 4. bis 7. Schulstufe, dazu noch 25 Parallelklassen. Im darauffolgenden Schuljahr war die ganze Volksschule italienisch. Auch die Oberschulen waren bis zum Jahre 1927 entweder italianisiert oder aufgehoben. Bis auf wenige Klosterschulen waren alle deutschen Schulen abgeschafft. Einigen wenigen gelang es in Form von Haushaltungsschulen bzw. Kursen die deutsche Sprache weiterhin zu unterrichten. Dies waren die Terziarschwestern in Mühlbach und die „Frauenschule“ der Englischen Fräulein in Brixen. Eine Sonderstellung nahm das Vinzentinum in Brixen ein. Es unterstand nämlich seit 1924 nicht mehr dem staatlichen Schulamt und war somit eine Privatschule mit deutscher Unterrichtssprache, wobei natürlich auch Italienisch gelehrt wurde.

Mit dem Abschluss des Konkordates am 11. Februar 1929 wurde den kirchlichen Seminarien der weitere Fortbestand unabhängig vom staatlichen Schulamt garantiert, somit konnte auch das Vinzentinum weiterhin mit deutscher Unterrichtssprache geführt werden. Durch das Konkordat konnte in drei weiteren Knabenschulen auf Deutsch unterrichtet werden. Dazu gehörte das vom Trientner Erzbischof Cölestin Endrici neu errichtete „Johanneum“ in Dorf Tirol, das als Kleines Seminar für den deutschen Anteil der Diözese Trient gedacht war und mit einer internen Matura gleich wie im Vinzentinum abschloss.

So trainierte man die Südtiroler Jugend, daß sie einmal gute Italiener werden sollte. Im Bild die s. g. “piccoli italiani” um 1930 im Grubener Feld. Fotosammlung von Lorenz Niedermair.

Es gab dann noch eine dreijährige Singknabenschule bei den Augustinern in Neustift und eine private Mittelschule der Kapuziner in Salern. Was die die italienischen Faschisten nicht antasteten, schafften die nationalsozialistischen deutschen Behörden dann 1943, die Institute wurden ohne Wenn und Aber geschlossen oder aufgelöst.  

Bis zum 31. Dezember 1939 mussten sich die Südtiroler entscheiden ob sie deutsche Staatsbürger werden wollen mit der Verpflichtung zur Auswanderung oder ob sie weiterhin Bleiben wollen und damit so wie bisher, keinen Schutz für ihr Volkstum in Anspruch nehmen könnten. Durch entsprechende Propagandawellen entschieden sich daraufhin von den ca. 246.000 Optionsberechtigten ca. 212.000 für die Auswanderung und ca. 34.000 für den Verbleib bei Italien. Effektiv abgewandert sind 75.000 Personen, von denen unmittelbar nach dem Krieg ca. 25.000 wieder rückgewandert sind.

Nach 1939 verbesserte sich die schulische Situation insofern, dass jetzt die „Optanten“ für das Großdeutsche Reich offiziell deutsche Sprachkurse besuchen konnten, während dies für jene, die sich für den Verbleib in Südtirol und damit für die Beibehaltung der italienischen Staatsbürgerschaft optierten, nicht der Fall war. Nach 1943 wurde es Studenten und Studentinnen ermöglicht die Oberschulen für Volksdeutsche in Rufach (Elsass) und Achern (Baden) zu besuchen.

Kinder der Bergschule Sergs.

Seit dem Ende des 2. Weltkrieges gibt es in allen Ortschaften deutsche Grundschulen, in Weilern manchmal Zwergschulen, in allen Mittelpunktorten deutsche Mittelschulen und in allen Städten Oberschulen mit Maturaabschuss in deutscher Sprache. Seit einem Jahrzehnt gibt es in Bozen die dreisprachige freie Universität Bozen. Der von Österreich abgetrennte Teil von Tirol – die Region Trentino/Südtirol – ist mit einer weitreichenden Autonomie ausgestattet.

Was sich in einigen Sätzen leicht liest, ist in Wahrheit das Ergebnis von langwierigen Verhandlungen, fußend auf den am Rande der Pariser Friedenskonferenz am 5. September 1946 abgeschlossenen Schutzvertrag. Das Abkommen wird vom italienischen Ministerpräsidenten Alcide Degasperi und dem österreichischen Außenminister Karl Gruber geschlossen. Nach dem Namen der beiden Unterzeichner wird es vielfach Gruber-Degasperi-Abkommen genannt. Der Vertrag sichert den Südtirolern besondere Maßnahmen zur Erhaltung des Volkscharakters sowie der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung zu. Dazu zählen z.B. Schulen in der Muttersprache, Gleichstellung der deutschen Sprache, Gleichberechtigung bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst, Revision der Option von 1939 und als wichtigste Klausel die Gewährung einer Autonomie an die Bevölkerung der Provinz Bozen. Das Abkommen wird als integrierender Bestandteil in den Friedensvertrag mit Italien aufgenommen. Damit ist Südtirol für alle Zukunft eine internationale Frage geworden. Eine sehr wichtige Frage konnte bereits im Herbst 1947 zwischen Italien und Österreich geregelt werden nämlich die Optantenfrage. Aufgrund des Verhandlungsergebnisses konnten praktisch alle in Südtirol lebenden Optanten und ein beträchtlicher Teil der Umgesiedelten die italienische Staatsbürgerschaft wieder erwerben.

“In den unter dem Faschismus errichteten Industriebetrieben und in der öffentlichen Verwaltung wurden weiterhin fast nur Italiener eingestellt, den Südtirolern blieb nur die Wahl der Auswanderung. Davon machten ca. 10.000 Südtiroler Gebrauch.”

Walter Fischnaller

Die italienische verfassungsgebende Nationalversammlung genehmigt am 31. Jänner 1948 das erste Autonomiestatut. In Abweichung vom Pariser Abkommen werden die beiden Provinzen Trient und Bozen zu einem Regionalen Parlament und einer Regionalregierung zusammengeschlossen. Damit liegt die Selbstverwaltung jedoch in den Händen einer italienischen Mehrheit, für Bozen fällt nur eine ganz bescheidene “Unterautonomie” ab. Wesentliche Teile der Bestimmungen bleiben unerfüllt. Die noch unter dem Faschismus eingeleitete Italianisierung wurde auch in den 1950er Jahre fortgesetzt, mit dem Ziel den Anteil der Italiener in Südtirol auf 51 % zu bringen. In den unter dem Faschismus errichteten Industriebetrieben und in der öffentlichen Verwaltung wurden weiterhin fast nur Italiener eingestellt, den Südtirolern blieb nur die Wahl der Auswanderung. Davon machten ca. 10.000 Südtiroler Gebrauch.

Schloss Sigmundskron

Das Fass zum Überlaufen brachte die Mitteilung aus Rom, dass in Bozen ein weiterer Stadtteil mit 5.000 Wohnungen errichtet werden soll. Daraufhin protestierten am 17. November 1957 in einer Massenkundgebung auf Schloss Sigmundskron bei Bozen 35.000 Südtiroler gegen die Unterwanderung ihrer Heimat und gegen die Nichterfüllung des Pariser Vertrages. Der damalige österreichische Außenminister Bruno Kreisky erreichte, dass sich die UNO-Vollversammlung mit dem Südtirolerproblem befasste. Die daraufhin genehmigte Entschließung forderte beide Staaten zu Verhandlungen auf, um alle Meinungsverschiedenheiten zu beseitigen. Die Verhandlungen gingen sehr schleppend voran und zeigten für die Südtiroler keine annehmbaren Verbesserungen auf. Gleichzeitig ergriff eine Gruppe Südtiroler die Initiative und sprengte in der sogenannten “Feuernacht” vom 11. Juni 1961 Dutzende von Masten der Hochspannungsleitungen in die Luft, weitere Anschläge folgten. Damit wurde die Weltöffentlichkeit auf das Problem aufmerksam, es kam Bewegung in die Sache.

“Das Instrument dazu ist vorhanden, wir müssen es nur zu nützen wissen. Denn, wir müssen ehrlich zugeben, von einem Minderheitenschutz wie in Südtirol können andere Minderheiten in Europa nur träumen.”    

Walter Fischnaller

Der italienische Ministerrat setzte am 1. September 1961 eine aus 19 Mitgliedern bestehende Kommission ein, sieben Südtiroler, ein Ladiner und elf Italiener. Ihr wurde die Aufgabe übertragen, die Südtirolfrage zu studieren und Vorschläge zu unterbreiten. Die Kommission schloss ihre Arbeiten am 10. April 1964 ab. Es waren jedoch noch viele Treffen notwendig, darunter österreichisch-italienische Expertengespräche im kleinen Kreis und schließlich Verhandlungen zwischen dem Südtiroler Landeshauptmann Silvius Magnago und Ministerpräsident Aldo Moro. Das erzielte Verhandlungsergebnis (“Paket” genannt) wurde von der Südtiroler Volkspartei mehrheitlich angenommen, das italienische und das österreichische Parlament stimmten ebenfalls zu, das neue Autonomiestatut trat am 20. Jänner 1972 in Kraft. Das neue, wesentlich erweiterte Statut übertrug dem Land Südtirol die Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeit für eine Reihe von Sachgebieten, gegliedert in die drei Gruppen der primären, sekundären und tertiären Zuständigkeiten. Nach und nach wurden die vorgesehenen Maßnahmen umgesetzt, davon war eine der wichtigsten jene der Verpflichtung zur Zweisprachigkeit im öffentlichen Dienst bzw. die Gleichstellung der deutschen und italienischen Sprache.

Im Jahr 2016 besuchte eine Reisegruppe aus Vintl/Südtirol das Kulturzentrum der Gottscheer in Krapflern/Slowenien. Den Reisenden wurde Dokumentation “Auf den Pfaden der Ausgelöschten” ein Film des Kulturvereins der deutschsprachigen Jugend über das Schicksal der Gottscheer präsentiert. © Duschan Tomic

Vergleiche mit Slowenien

Vergleicht man nun den Werdegang von Südtirol mit jener der deutschen Bevölkerung in Gottschee und Laibach, die mit der Option 1941 ein ähnliches Schicksal wie Südtirol erleiden musste, können wir folgendes feststellen: Südtirol und die Sprachinseln sind Beispiele, was der Bevölkerungsaustausch in Gebieten bewirken kann. Wir Südtiroler leben noch in unserer Heimat und konnten unser Volkstum verteidigen. Es war ein harter Kampf, er hat sich aber gelohnt. Nun liegt es an uns und unseren Nachkommen, ob wir als deutsche Minderheit in Italien überleben oder nicht. Das Instrument dazu ist vorhanden, wir müssen es nur zu nützen wissen. Denn, wir müssen ehrlich zugeben, von einem Minderheitenschutz wie in Südtirol können andere Minderheiten in Europa nur träumen.    

Walter Fischnaller, Vintl/Südtirol

Der Beitrag wurde bereits in der Laibacher Zeitung (Nr. 2/November 2017) veröffentlicht.

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Zveza kulturnih društev nemško govoreče narodne skupnosti v Sloveniji

Dachverband der Kulturvereine der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien
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